Eigentümerversammlung: Darf der Verwalter persönliches Erscheinen verbieten?

Wie kann man in Zeiten der Corona-Pandemie eine Eigentümerversammlung durchführen? Die Frage treibt seit einem Jahr viele Wohnungseigentümer um. Mit dem Versuch, das persönliche Erscheinen der Teilnehmer schon bei der Einladung zu verbieten und stattdessen nur mit Vollmachten an den Verwalter zu arbeiten, ist eine Hausverwaltung jetzt vor Gericht gelandet.

Wie kann man in Zeiten der Corona-Pandemie eine Eigentümerversammlung durchführen? Die Frage treibt seit einem Jahr viele Wohnungseigentümer um. Mit dem Versuch, das persönliche Erscheinen der Teilnehmer schon bei der Einladung zu verbieten und stattdessen nur mit Vollmachten an den Verwalter zu arbeiten, ist eine Hausverwaltung jetzt vor Gericht gelandet.

Hannover. Die Hausverwaltung darf in der Einladung zur Eigentümerversammlung nicht bestimmen, dass die Eigentümer nicht persönlich zur Versammlung erscheinen dürfen. Eine Abhaltung der Versammlung lediglich mit Hilfe von Vollmachten an die Verwaltung ist nicht zulässig, weil so keine willensbildende Diskussion zustande kommen kann. Das gilt auch in Zeiten der Corona-Pandemie.

So hat es das Amtsgericht Hannover jetzt entschieden (Urteil vom 07.01.2021, Az.: 480 C 8302/20). Das Urteil ist rechtskräftig. Es fiel im Streit um die Eigentümerversammlung einer Wohneigentumsanlage in Hannover-Misburg. Auf der „Versammlung“ im Juli 2020 war eine neue Hausordnung beschlossen worden. Es hatte sich allerdings niemand wirklich versammelt. Die Hausverwaltung hatte das persönliche Erscheinen der Wohnungseigentümer in der Einladung zur Versammlung verboten.

Gleichzeitig eingeladen und ausgeladen

Konkret schrieb die Verwaltung: „Wir laden mit den beiliegenden Unterlagen ordnungsgemäß zu einer Eigentümerversammlung ein, zu der Sie aber bitte nicht erscheinen. Sollten Eigentümer/innen erscheinen, wären wir zum sofortigen Abbruch der Veranstaltung gezwungen.“ Stattdessen legte man Vollmachten bei, mit denen die Eigentümer die Verwaltung dazu ermächtigen sollten, in ihrem Sinne abzustimmen. Einer der Eigentümer klagte gegen den so gefassten Beschluss über die neue Hausordnung.

Eine Diskussion über die Tagesordnungspunkte habe es nicht gegeben, sein Recht auf Teilnahme an der Versammlung sei verletzt worden, trug der Kläger dem Gericht vor. Das Vorgehen sei eine Pflichtverletzung des Verwaltungsbeirats gegenüber den Wohnungseigentümern. Die Amtsrichterin bestätigte die Ansicht des Klägers und erklärte den Beschluss über die neue Hausordnung für nichtig. Zu diesem Mittel kann ein Gericht greifen, wenn ein Beschluss einer Eigentümerversammlung in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift.

Eigentümerversammlung: Persönliches Erscheinen nicht zu verbieten

Das Recht zur Teilnahme an der Eigentümerversammlung gehört zu diesem Kernbereich, betonte das Amtsgericht. Die Formulierungen in der Einladung zur Versammlung sind nach Auffassung der Richterin als ausdrückliches Verbot zu verstehen, persönlich zu erscheinen. Eine Wahlmöglichkeit der Eigentümer, dennoch aufzutauchen, sei nicht erkennbar. Damit kassierte sie das Argument der Hausverwaltung ein, die Eigentümer hätten ja trotzdem erscheinen und damit die Durchführung der Versammlung und mithin den Beschluss verhindern können.

Die Verwaltung hätte den Wohnungseigentümern nur die Möglichkeit gelassen, durch die Vollmacht mit Anweisungen ihr Stimmrecht auszuüben. Eine inhaltliche Auseinandersetzung und Diskussion über die geplanten Änderungen sei damit nicht möglich gewesen. Genau das ist nach Ansicht des Gerichts aber wesentlicher Bestandteil der Willensbildung, die bei einer Eigentümerversammlung geschehen soll. Nur durch Vollmachten lässt sich eine Eigentümerversammlung also nicht ersetzen.

TIPP: Reformiertes WEG-Recht erlaubt digitale Teilnahme

Seit dem 1. Dezember gilt wie berichtet ein neues Wohnungseigentumsgesetz. Demnach kann die Eigentümerversammlung beschließen, dass Eigentümer auch aus der Ferne an der Versammlung teilnehmen dürfen, etwa per Videokonferenz. Aber: Selbst wenn die Eigentümer das beschließen, darf nach den Buchstaben des Gesetzes ausdrücklich niemandem eine persönliche Teilnahme verwehrt werden, wenn er das wünscht. Insofern ist der Kern des Hannoveraner Urteils auch unter dem neuen WEG-Recht anwendbar.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage hatte Haus & Grund Rheinland Westfalen sich schon im Frühjahr 2020 erfolgreich bei der NRW-Landespolitik dafür eingesetzt, dass ab Mai 2020 Eigentümerversammlungen in NRW trotz Corona stattfinden konnten – unter der Einhaltung entsprechender Maßnahmen zum Infektionsschutz. Dabei blieb es seither auch über alle neuen Einschränkungen hinweg. Ein Durchführen der Eigentümerversammlung unter freiem Himmel kann übrigens unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls in Frage kommen – mehr dazu hier.

Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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