Nicht immer sind Mieter davon begeistert, wenn der Vermieter eine umfangreiche Modernisierung der Wohnung ankündigt. Im Zweifel kann der Eigentümer sie aber zur Duldung der Maßnahmen verurteilen lassen. Doch muss ein Mieter dann sogar vorübergehend ausziehen, um die Bauarbeiten zu ermöglichen? Dazu gibt es jetzt ein interessantes Gerichtsurteil.
Berlin. Selbst wenn ein Mieter dazu verpflichtet ist, eine umfangreiche Modernisierung seiner Wohnung zu dulden, kann der Vermieter deshalb nicht unbedingt auch den vorübergehenden Auszug aus der Wohnung verlangen. Vermieter müssen bei der Planung und Durchführung von Bauarbeiten auch auf etwaige gesundheitliche oder altersbedingte Bedürfnisse der Mieter Rücksicht nehmen. So hat es zumindest das Landgericht Berlin II jüngst entschieden (Urteil vom 22.10.2024, Az.: 65 S 139/24). Das Urteil ist rechtskräftig.
Das Urteil fiel in einem äußerst bemerkenswerten Fall: Ein 85 Jahre alter Berliner lebt schon seit seiner Geburt in der gleichen Mietwohnung. Die Vermieterin wollte den Altbau modernisieren, was dem alteingesessenen Mieter nicht gefiel. Es kam zum Prozess und im Jahr 2021 wurde der Mieter vom zuständigen Gericht tatsächlich dazu verurteilt, die geplanten Modernisierungsmaßnahmen zu dulden. Dazu müsse er die beauftragten Handwerker in die Wohnung lassen, hatte das Gericht festgestellt.
Die Vermieterin ging davon aus, dass die Wohnung während der Bauarbeiten nicht bewohnbar sein würde. Sie forderte den Mieter daher im Jahr 2023 mehrfach dazu auf, die Wohnung zu räumen. Das wollte der Senior allerdings nicht. Daraufhin kündigte die Vermieterin dem Mieter schließlich und reichte eine Räumungsklage ein. Doch die blieb erfolglos. Das Landgericht Berlin II bestätigte die Ansicht des Mieters: Er war zur Duldung der Bauarbeiten und mithin zum Einlassen der Handwerker, aber nicht zum Auszug verurteilt worden.
Duldung von Bauarbeiten erfordert nicht unbedingt den Auszug
Mit dem Begriff „Duldung“ sei kein eigenes, aktives Handeln gemeint, sondern nur das passive Erdulden der Baumaßnahmen. Nur wenn die Bauarbeiten es unbedingt erforderten, müsse die Wohnung ausnahmsweise geräumt werden – das könnte etwa bei einem baufälligen Gebäude in Betracht kommen, befand das Gericht. Es gab aber in diesem Fall keine Anhaltspunkte dafür, dass eine solche besondere Situation gegeben sein könnte. Vermieter müssten grundsätzlich bei der Planung und Durchführung von Bauarbeiten auf spezielle Bedürfnisse der Mieter Rücksicht nehmen, betonte das Landgericht.
Solche speziellen Bedürfnisse können sich etwa aus dem Alter und dem Gesundheitszustand des Mieters ergeben, der im vorliegenden Fall ja tatsächlich sehr betagt war. Deshalb muss er nach Überzeugung des Gerichts auch nicht für die Arbeiten ausziehen, wenn er das nicht möchte. Das Berliner Landgericht betonte, ein Vermieter handele pflichtwidrig, wenn er die Umsetzung einer baulichen Veränderung so gestalte, dass unnötige und erhebliche Belastungen für den Mieter daraus resultierten.
Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.
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